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Männers!

Deine Befreiung ist ein netter Nebeneffekt, meine ist die verdammte Bedingung

Linksliberale Studi-Macker gehen mir gerade so auf die Eierstöcke: Moderne, „weltoffene“ Hetero-Männer in ihren Zwanzigern, die verstanden haben, dass das Patriarchat auch für sie unterm Strich eine ganz schöne schlechte Kosten-Nutzen-Rechnung darstellt. Sie sonnen sich in Eigenlob, weil sie gelernt haben zu weinen, weil sie ohne Aufforderung sogar mal den Abwasch machen (OMG, was für ein Mann!), weil sie sich den Armen einer Frau hingeben können, weil sie sich im Bett dominieren lassen. Sie lachen peinlich berührt über klassisches Machogehabe: Diese Typen seien ja so auf ihrer klischeehaften Männlichkeit hängengeblieben.
Nein, der moderne junge Mann von heute braucht keinen dicken Bizeps, er muss über Frauen nicht als „Nutten“ sprechen, er darf lange Haare tragen, er darf in Elternzeit gehen während seine Partnerin arbeitet, er darf sogar Kumpels länger als eine Nanosekunde umarmen, ohne sich „schwul“ fühlen zu müssen. Schaut, rufen diese pseudo-reflektieren Soft-Macker, Männer können endlich frei sein!

Pardon – fickt euch. Ihr habt nichts verstanden. Ihr seid nicht besser als der Proll von nebenan. Warum, fragt ihr?
WEIL ES NICHT UM EUCH GEHT! Dieses eine Mal in eurem privilegierten Leben geht es nicht um euch.

Ja, das Patriarchat unterdrückt alle Geschlechter. Aber ihr seid die Herrschenden in diesem Unterdrückungsverhältnis. Alles was ihr tun solltet, ist die Fresse halten und zuhören. Gleichberechtigung wird nicht erreicht, in dem ihr den weiblichen Haushaltsangehörigen in eurem Leben stolz erzählt, ihr hättet letzte Woche schon drei Mal den Müll runtergebracht! Sie wird nicht erreicht durch zusätzliche Carework eurer romantischen Beziehungspartnerinnen, wenn sie euch bestätigen: Ja, du darfst ganz klein und verletzlich in meinem Arm werden, ja du bist trotzdem ein richtiger Mann. Sie wird nicht erreicht, in dem ihr euch von euren Sexpartnerinnen im Bett den Arsch versohlen lasst.
Habt ihr euch mal überlegt, wie viel Kraftanstrengung diese moderne pseudo-aufgelöste Geschlechterungleichheit für Frauen bedeutet? In der Soziologie nennt man das „doppelte Vergesellschaftung“. Neoliberale Gesellschaftskonzepte reden uns ein, Gleichberechtigung sei längst der Status Quo: „Heute können Frauen doch alles erreichen, was Männer auch erreichen können.“ Im Einzelfall mag das stimmen, strukturell ist dem jedoch überhaupt nicht so. Und: Als Frau musst du dich mindestens doppelt so doll anstrengen und wirst mindestens doppelt so streng bewertet wie der durchschnittliche Cis-Mann. Das nennt man dann wohl…ach ja: Doppelmoral. Dieser neoliberale Selbstverwirklichungsmüll blendet so sehr, dass übersehen wird, wie ungebrochen unsere Gesellschaft weiterhin auf tief verwurzelten, stabilen patriarchalen Strukturen steht: Misogynie scheint ein neues Revival zu erleben, Femizide sind an der Tagesordnung, die Welt wird weiterhin von alten weißen Männern regiert.
Während Frauen sich also einreden lassen müssen, sie befänden sich doch längst in der gleichen Position wie Männer, kämpfen sie tagtäglich gegen ein System, das ihr Subjekt-Sein negiert, sie zu Objekten degradiert, ihnen ihr Menschsein aberkennt. Like this isn’t enough, sollen sie nun auch noch begeistert verkörpern, was ihnen so großzügig gewährt wird: Sie „dürfen“ stark sein, unabhängig sein, sich ihre Sexualität zu eigen machen, ein positives Verhältnis zu ihren Körpern einnehmen. Und für ihre Partner auf ganz neuen Ebenen Beziehungsarbeit leisten: Den armen, verwirrten Männern („Man(n) weiß ja gar nicht mehr, was man noch sagen darf“) Raum für Schwäche zugestehen und gleichzeitig selbst Stärke zeigen. Klar darfst du in meinem Arm heulen und ich wiege dich in den Schlaf, klar bringe ich das Geld in die Haushaltskasse, klar stecke ich dir meinen Finger in den Arsch. Klar finde ich mich selbst total sexy, obwohl mein Körper keiner gesellschaftlichen Norm gerecht wird. Klar will ich in einer offenen Beziehung leben. Klar benutze ich kein Make-Up, obwohl in keiner Werbung der Welt Frauen mit großen Poren oder Pickeln als liebens- oder begehrenswert dargestellt werden. Klar bin ich das alles für dich, mein liebster Mann!

Nochmal: Es geht hier nicht um euch, liebe Cis-Männer. Es geht darum, das jahrtausendalte Unterdrückungsverhältnis von Männern, die über Frauen herrschen, zu beenden. Dass dies auch eure Befreiung bedeutet, ist ein schöner Nebeneffekt. Gut für euch. Aber die Bedingung für ein gleichberechtigtes Leben aller Geschlechter ist unsere Befreiung. Nur sie zählt.