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Emo Shit

Ich bin als Frau sozialisiert, natürlich glaube ich nicht an mich

Seize the day with the unearned confidence of a mediocre white man

Joanna Thangiah, queerfeministische Künstlerin

Als meine letzte Beziehung scheiterte war ich am Boden zerstört, obwohl ich eigentlich sehr genau wusste, dass das Ende dieser Liebe bloß eine Frage der Zeit war. Aber noch mehr als meinem Partner trauerte ich unserem Sex nach. Diesem grandiosen Sex, den wir uns in monatelanger Arbeit aufgebaut hatten. Ich trauerte nicht bloß, ich war panisch. Eine so schöne, fast schon symbiotische sexuelle Beziehung zu verlieren, ließ nackte Angst in mir aufsteigen. An dieser krassen Überreaktion wurde deutlich, wie lang und schmerzlich ich mich nach einem so erfüllenden Sexleben gesehnt hatte. Mir wurde aufs Neue klar, welch tiefe Narben eine langjährige, sexuell frustrierende Beziehung hinterlassen kann.

Eine Freundin rollt nur noch die Augen, wenn ich wieder einmal lamentiere, wie unfassbar schwierig die Suche nach tollem Sex sei. Dafür sei meine Quote viel zu gut, sagt sie. Ich sehe ihren Punkt: Nach ebendiesem Beziehungsende dauerte es fünf Wochen oder zwei Männer. Warum also diese komplett irrationalen Ängste?
Die Antwort ist so einfach wie traurig: Weil ich mich aus der Rechnung herausnehme. Theoretisch weiß ich, wie außerordentlich gut ich über Sex sprechen kann, wie hoch mein Bewusstsein für meine eigenen Bedürfnisse ist, wie konkret ich diese ausformulieren kann, wie konsequent ich auf Konsens bedacht bin, wie sicher ich sexuelle Sprach- und Wortlosigkeit überwinde oder wie gekonnt ich einen geschützten Rahmen für Kommunikation eröffne, bis zur Verblüffung meiner Sexpartner ob ihrer Redeschwälle  – am Ende bleibt es mir unvorstellbar, dass ich etwas damit zu tun haben könnte, wie (gut) mein Sex ist. Ich projiziere lieber meine Erfolge und meine persönliche Entwicklung in irgendwelche Typen und ende bei romantisierten und idealisierten Vorstellungen von einem Mann. Stichwort, zurück zum Ende meiner Lovestory: Ich sitze völlig aufgelöst weinend vor meinem Ex-Partner und fasel was von „aber unsere Körperlichkeit ist so besonders…finde ich nie wieder…“. Er sitzt ähnlich fertig daneben, aber widerspricht mir deutlich. Ich müsse aufhören mit meinen Projektionen. Wie mein Sexleben laufe, habe so viel mehr mit mir selbst zu tun, als ich glaube.
Was während unserer Beziehung nicht oft vorkam schafft er in den letzten Minuten unserer Liebe mühelos: Er berührt mit seinen Worten etwas ganz tief in mir. Während wir ein letztes Mal beieinander sitzen, verstehe ich noch nicht in seiner Gänze, was genau seine Worte eigentlich triggern.
Mittlerweile kann es sehen: Wie in so vielen Bereichen meines Lebens spreche mir lieber jedwede Fähigkeit ab, anstatt auf sie zu vertrauen. Denn ich bin als Frau sozialisiert und muss erst lernen, an mich zu glauben.