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Tinder Fails

Motto: Nur hart genug fingern und dann squirtet frau von ganz allein

Nach anderthalb Jahren ekstatischem Herumvögeln hatte ich vergessen, wie schlecht Sex sein kann. Es stimmt hinten und vorne nicht bei mir und dem Tindertyp. Literally. Ein wenig Übergriffigkeit ist wie immer dabei, das gehört schließlich zum guten Ton beim Sex mit Cis-Dudes. Vor allem aber ist der Vibe nicht stimmig. Ist das die Chemie, von der immer alle reden? Ich glaube eigentlich mehr an Kommunikation als an Pheromone. Aber irgendwie läuft selbst die nicht, präzise Ansagen meinerseits hin oder her.
Angekommen in einer schmuddeligen Männer-WG am Stadtrand, die vor „Ich-scheiß-auf-Reproarbeit“-Atmosphäre und Nerd-Vibes nur so trieft, geht’s direkt zur Sache. Wer braucht schon Smalltalk. Was ich aber brauche, ist Vorspiel. Das ist zwar ein hochproblematischer Begriff, heteronormativ und Sex auf vaginale Penetration als Kern- und Höhepunkt des Geschehens reduzierend, aber heute meine ich ihn genauso: ich bin cockhungry und will Präpenetrationsvorspiel. Heißt, das ganze first-date-vanilla-sex-Programm: den unbekannten Männerkörper in seinen Details erfühlen und erschmecken und bestenfalls ein paar Mal von fremden Fingern und Zunge Kommen, bevor’s ans Penetrieren geht. Ich will das 5-Gänge-Menü. Hier und da einen Orgasmus und vor allem das Neue genießen, genießen, genießen.
Er nicht so: Innerhalb von fünf Sekunden hat er meine sekundären und primären Geschlechtsmerkmale einmal abgegrabbelt. Anscheinend alles da, wo es sein soll. Arsch, check. Brüste, auch. Ich strippe für ihn, in dem Versuch, das Tempo nach der Grabsch-Attacke ein bisschen herunterzuschrauben. Das funktioniert mäßig, er gesellt sich zu mir und ist direkt an meiner Vulva zugange. Dieser Sex bekommt gerade das Tempo meines Herzschlags nach zwei Red Bull auf ex. Verleiht mir aber leider keine Flügel.
Am zentralen Ort des Geschehens (Bett) angekommen, greift er sich meinen Ledertanga vorn so zusammen, dass sich der harte, glatte Stoff als schmaler Strich mitten in meine Vulva gräbt. Den Stoffstrich reißt er nun nach oben. Fast entfährt mir ein kurzer Schmerzenslaut, aber das ist nicht die gute Art von Schmerz: Hallo Reizüberflutung. Das Ganze soll offensichtlich ein sexy-dominanter Move sein. Naja, fuck it. Ich bin horny und auf Sexentzug.
Nun fährt er mit seinen Händen hektisch über meine Vulva und spießt dabei mit unkontrollierten Fingern ab und an bisschen was von meinen Vulvalippen auf. Ich krieg den Impuls, meine gespreizten Beine zu schließen und fest zusammenzupressen. Schutzreflex im Sinne der 8000+ gereizten Nervenenden.

Für alle cis-männlichen Menschen die Wiederholung: 8000. Nervenenden. Nur. An. Der. Klitoris.

Zum Vergleich: Die Eichel eines Penis besitzt halb so viele. Kein anderes menschliches Organ enthält so viele Nervenfasern auf so engem Raum. Dazu kommt, dass die Klitoris die ganze Zeit von Vorhaut und äußeren Vulvalippen vor Stimulation geschützt ist.
Da Vulven und Lust unterschiedlich funktionieren, spreche ich hier natürlich nur für mich, aber: Vulvalippen auseinanderziehen und dann in der Klitoris herumwühlen wie nach einer verlorengegangenen Tiefkühlerbse im Spalt zweier Küchendielen? Uaaagh. Das hier ist doch kein fucking Mainstream-Porno. Weniger ist mehr, Junge.
Als wär das nicht genug, hakt’s wie schon beschrieben auch an der Kommunikation. Wir reden aneinander vorbei. Ich hab das Gefühl, er hört mich gar nicht richtig.
Sanfter, sage ich bittend. Kurz tut’s weniger weh, aber lange hält sich die Info in seinem Kopf nicht. Ich geb‘ nicht auf. Sanfter, sag ich wieder. Das gleiche Spiel. Ich muss wohl präziser werden. „Kannst du so feste, langsame Kreise direkt über meiner Klitoris ziehen?“ frage ich. Mit der Zunge noch an meiner Vulva guckt er verwirrt hoch: „Öh uuiischo?“ Mühsam heb ich meinen verschwitzten Kopf von der Matratze, schaue zu, wie er mit nass-klebrigem Bart zwischen meinen Beinen auftaucht (direkt Ohrwurm von WAP) und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. „Äh… Weil sich das gut anfühlt.“ Er verschwindet nickend wieder zwischen meinen Beinen. Nee, es läuft einfach nicht. Es bleibt ein wildes Gestochere (Motto: Nur hart genug fingern und dann squirtet frau von ganz allein) und Zungenschleudergang mit hoher Drehzahl. Ich sinniere über Zungenmuskeln (mensch, bin ich unkonzentriert), während ich krampfhaft versuche mich Richtung Orgasmus zu bewegen. Während Ashnikko Typen auf verzweifelter Suche nach ihrer Klitoris besingt, scheint sich mein Tinder-Dude so über seine anatomischen Kenntnisse zu freuen, dass er sie gar nicht mehr in Ruhe lassen will. Völlig reizüberflutet krieg ich mit aller Kraftanstrengung einen Orgasmus zustande. Interessant, wie anstrengend Kommen sein kann.
Ich glaub, ich muss kurz chillen.