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Körperkram

Es ist zum Achselhaare raufen

In meinem Fitnessstudio fühle ich mich oft wie ein Alien. Denn ich werde wie einer angestarrt. Wegen Corona, vor allem aber um einigermaßen ungestört pumpen zu können, trainiere ich mittlerweile spätabends, sodass ich kurz vor Ladenschluss gerade fertig mit meiner Runde bin.

Neulich um 21:30 Uhr im Freihantel- und Maschinenbereich: 15 Pumper-Atzen und ich. Als einzige weibliche Person unter 15 Cis-Männern ist es anstrengend genug. Addiert man diese spezielle Fitnessstudio-Atmosphäre mit seinem ganz spezifischen männlichen Publikum wird der Vibe maximal nervenaufreibend. Und wenn frau dann noch aussieht wie ich, ist die Spitze der Unannehmlichkeiten so ziemlich erklommen: Ich bin einigermaßen normschön, dünn und groß mit langen Beinen. Dazu teils rosa gefärbte lange Haare, Nasenpiercing und kahlrasierte Kopfseiten. Haare die mir am Kopf fehlen machen andere Körperteile wieder wett. Im Fitnessstudio trage ich knallige hautenge Kleidung, am liebsten babyrosa und bauchfrei. Und die Leute starren. Männer starren. In ihren Blicken sehe ich in sich schnell abwechselnder Reihenfolge Irritation, (Ehr-)Furcht, Schock, Lüsternheit, Unsicherheit, Ekel, Begierde und Ratlosigkeit. Manche gaffen so penetrant, dass es mehr als leicht dümmlich wirkt. Andere erstarren in ihren Bewegungen. Manchmal fantasiere ich davon, wie einer der Glotzer gegen einen der hippen Betonpfeiler im industrial style läuft, während ich mich genüsslich strecke und dabei meine Achselhaare in voller Pracht präsentiere. Ich überlege mir ein T-Shirt zu drucken: „Penetrantes Glotzen ist wie mit dem Finger auf Menschen zeigen. Hat deine Mama dir nix beigebracht?“ Ich weiß natürlich, dass die armen Mütter der Pumper-Atzen keine Schuld trifft. Das Patriarchat lehrt Männer, mich anschauen zu dürfen wie ein Objekt. Ein Ding. Für mich hätte ein solches (Zurück-)Starren ganz andere Konsequenzen. Ich hab’s probiert. Die Männleins werden dann ganz hektisch. Aber nicht vor Reue oder Verlegenheit, nein nein. Sie fühlen sich adressiert und eingeladen, mich next level zu belästigen: Ich werde angelabert. „Öööh wieso, du hast doch so rübergeguckt?!“ Also bin ich ein braves Mädchen. Ich laufe durch das Studio, schlage an den richtigen Stellen die Augen nieder und spüre die Blicke über meinen Körper wandern.

Es ist zum Achselhaare raufen.